Aus einem
Konzept zu einem Studientag zum Thema "POP" der
Klasse 13 des
Graf-Münster-Gymnasiums in Bayreuth.
Dass unter dem Markenzeichen Pop eine Unzahl von
Gütern und
Informa-tionen gehandelt und konsumiert wurden,
läßt sich
schwer bestreiten.
Selten, wenn überhaupt jemals zuvor, ist in der
Kulturgeschichte
ein einzel- nes Schlagwort derart extensiv ver-
wendet worden wie das
Schlagwort
Pop in den sechziger Jahren. Waren- produzenten und
Kaufhäuser,
bildende
Künstler, Literaten, Musiker, Filmema- cher,
die Massenmedien, ja
sogar
die Wissenschaftler firmierten jeweils unter
Benutzung des Schlagworts
mit ihren Angeboten, und die Nach- frage beim
Publikum zeigte sich
durchaus diesem Angebot gewachsen.

Im Unterschied zu der nachträglichen
Erarbeitung von Stilbegriffen
wie Renaissance oder Barock steht die Ausarbeitung
des Konzepts
Popkultur
am Anfang einer Entwicklung, die ganz bewusst von
diesem Konzept her
ver- wirklicht werden sollte. Konzept und
Konzeptname wurden bereits
zwischen 1956 und 1960 entwickelt, also lange bevor
jene Vielzahl von
Gütern und Informationen kommerziell hervorge-
bracht wurden, die
als Pop auftraten.
Pop bezeichnet eine Programmatik kulturellen Lebens,
in der die
Künste
im engeren Sinne nur eine einge- schränkte
Rolle spielten, wenn
auch eine äußerst bedeutsame. Diese
Kün- ste konnten
sich tatsächlich als gesell- schaftliche
Avantgarde verstehen,
weil sie dem gesellschaftlichen Leben eine
Programmatik vorgaben und
nicht nur eine gesellschaftlich vorgegebene oder in
der Entwicklung der
Kunst selber liegende programmatische Anforderung
aufgriffen.

Der Grundzug der Programmatik einer Popkultur ist
es, die
Unterscheidung
zwischen Subkultur und Hochkultur, Massen- und
Elitekultur, U- und
E-Kultur aufzuheben, und zwar nicht, indem man die
hochkulturellen
Errungenschaften popularisiert und damit auf die
Ebene der Massenkultur
absenkt
Ab 1960 postulierten amerikanische Kulturkritiker
den
Führungsanspruch der USA bei der Entwicklung
der Pop-
Programmatik. Und die Selbstverständ- lichkeit,
mit der
offensichtlich in den USA Malerei und Architektur,
Musik- schaffen und
Literatur, Kulturwissen- schaften und Pädagogik
sich auf die neuen
Phänomene der entwickelten
Industriegesellschaft einließen,
schien den
Anspruch zu rechtfertigen.
Das Einbringen hochkultureller Techniken,
beispielsweise die der
bildenden Kunst in die Massenkultur, sollte
garantieren, dass die neue
Massenkultur den Anforderungen an die
Leistungsfähigkeit des
heutigen
kulturellen Lebens gewachsen blieb.
Die Äußerungsformen des alltäglichen
Lebens in den
Handlungsbereichen
Straße und Wohnung, Kino und Sport- stadion,
Massenmedien und
Kaufhaus,
Industriearchitektur und Automobil-design,
Produktgestaltung und
Kleider-modenwurden mit dem Problembewusst- sein und
den
Arbeitstechniken der bildenden Kunst, der Literatur,
der Musik, der
Architektur, des Theaters und der Wissenschaft
bearbeitet werden, wie
man zuvor die Natur, die Kosmologien, die
Philosophie und den Menschen
als Reflexionsobjekte bearbeitet hatte.
Man ging dazu über, anstelle der Taten des
Herakles die Taten des
Western-helden zu reflektieren und zu verarbei- ten,
oder anstelle der
künstlerischen Umsetzung eines Sonnenuntergangs
in Paestum die einer neonreklame-bestückten
Großstadtstraße zu leisten;
statt der Architekturen antiker Tempel entwickelte
man moderne
Industriebau- ten zu Problemvorgaben
künstlerischer
Tätigkeit. Die
beherrschende Position der Abbildwürdigkeit und
die Hierarchie der
künstlerisch bedeutsamen Problem- vorgaben
wurde auf diese Weise
verän-
dert, zum Teil in so radikaler Pointierung dass an
die Stelle der
Madonna das Pin-up-girl trat.
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Pop Art
Die Pop Art (Popular Art) war eine, oder gar die
wichtigste,
Kunstrichtung in den 50-ziger und 60-ziger
Jahren des 20. Jahrhunderts.
Pop Art wurde zweimal geboren, zuerst in England
und dann,
unabhängig davon, in New York.
Diese Bewegung begriff sich in ihrer Kunst als
eine ablehnende Reaktion
zum "Abstrakten Expressionismus", welchen die
Pop Art Künstler als
übertrieben intellektuell, subjektiv und
sich von der Wirklichkeit
abwendend, betrachteten.
Die Pop Art umfasste die Bereiche Malerei,
Collage, Skulptur und Druck,
sowie das Happening. Die Wahl von
Gegenständen der Massenkulturen
als Bildinhalte beruhte nicht auf einer
Selbstgefälligkeit der
Künstler, sondern bedeutete eine Ablehnung
zeitgenös-sischer
Werte. Trotzdem avancierten die stilisierten
Abbildungen
alltäglicher Gebrauchsgegenstände wie
Suppen-dosen,
Waschmittel, Comics und Limonadenflaschen zum
Kultstatus.
Pop Art war, auch in der Art wie sie die
etablierte Kunstwelt und die
Gesell-schaft insgesamt verhöhnte,
vergleich- bar mit dem
Dadaismus, indem sie Bilder der Straße,
der Massenmedien, des Kon
sums aufgriff und als Kunst präsentierte.
Es scheint diese Veränderung zunächst
einmal als ein
bloßer Wechsel der Sujets
abzulaufen, wenn man den Vorgang nur von der
Seite der
künstlerischen Produktion her sieht. Von
der Seite der Adressaten
aus gesehen, von seiten der potentiellen Nutzer
künstlerischer
Arbeit wird aber durch die künstlerische
Bearbeitung
massenkultureller Erscheinungen eben diese
Massenkultur als ein
geschlossenes System kultureller Kommunikation
erst sichtbar.
Der Pop-Programmatik kam eine histo- risch
bedeutsame Verschiebung der
Rollenverteilung gesellschaftlicher Grup- pen im
Kulturleben entgegen.
Waren bis dato obere Mittelschicht und Ober-
schicht als Trendmacher
und stilbildende Klasse aufgetreten und
anerkannt wor- den, da sie
über mehr Geld, Bildung und Muße
verfügten als andere
Schichten, so drehte sich dieses Verhältnis
zu Anfang der
sechziger Jahre um: Durch
die geregelte Arbeitszeit und wachsende
Kaufkraft sowie besseren
Anschluß an
kulturelle Informationen durch die Massenmedien
gelangten weit
größere Gruppen in die Position von
Kultur-trägern. Ja,
die bisher führenden verloren durch
Einschränkung ihrer
Freizeit zusätzlich an
Interventions-möglichkeiten.
Wie radikal diese Umschichtung in kürzester
Zeit verlief, belegt
die Durch-setzung der Minimode. Zum ersten Mal
wurde mit der Minimode
ein Unter- schichtengeschmack zur sogar
interna-tional dominierenden
Bekleidungsmode. Ebensowenig wie zuvor die Ober-
schichten unmittelbar
kulturschöpferisch waren,
überließen auch die Unter-
schichten nun die unmittelbare Produk- tion von
kulturellen Gütern
Professio- nalisten, vor allem den
Künstlern und einer Reihe von
neuen Kulturberufen,
die auf die technischen Massenmedien
spezialisiert waren. Durch sie
wurden die
traditionellen Techniken und Einstel- lungen,
Wahrnehmungs- und
Vermitt- lungsformen für die neue
Massenkultur nutzbar gemacht.
Die hochkulturelle Bearbeitung massen-
kultureller Erscheinungsformen
förderte nicht nur die Differenzierung der
Gestal-
tungsrepertoires und machte damit die Objekte
der Massenkultur
interessanter. Vielmehr konnte so auch die
Massen- kultur Leistungen
erbringen, die zuvor ausschließlich den
Eliten vorbehalten waren:
Beispielsweise die alltägliche Lebensum-
welt als eine
produzierte, geschaffene überhaupt
wahrzunehmen, sich dadurch zu
ihr in Distanz zu setzen und sich in ihr neu zu
orientieren. Man hat
dieses Vorgehen immer wieder als eine
bloße Verdopplung der
Alltagswelt kritisiert, also zum Beispiel
moniert, daß die
Aufnahme des Sujets Coca-Cola-Flasche in Bilder
von LICHTENSTEIN nichts
anderes sei als eine Verdopplung der
Coca-Cola-Reklame. Dagegen ist
vorzubringen: Lernpsychologisch wie
kommunikationstechnisch können
wir Bestandteile unserer Umwelt nur
proble-matisieren, indem wir diesen
Umweltbe- standteil aus seinem vorgegebenen und
in gewisser Weise
selbstverständlichen
Zusammenhang herauslösen, was zumeist
bedeutet, daß wir ihn
aus einer sprachlichen Verständigungsebene
in eine andere Sprache
transformieren.
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Diese
Bedeutungsänderung wurde sehr
lange als eine kunstspezifische
Technik der 'Verfremdung' angesehen. Sie gilt aber
vielmehr für
jede
Art der Kommuni- kation bzw. Darstellung eines
Sachver-halts, ist also
auch ein prinzipieller Einspruch gegen jedes naive
Realismus-postulat.
Erst die
Überführung der Coca-Cola-
Flasche aus dem
Kontext
Werbung in den Kontext bildende Kunst und die
Überführung der werbesprachlichen
Bearbeitung des Objekts
Coca-Cola-Flasche auf einer Plakatwand in den
bildsprachlichen Kontext
der Tafelbild- malerei in einem Museum
ermöglicht es, die
Begrenztheit
derjenigen Aussage zu erkennen, die nur an ein
Aussagensystem
gebunden bleibt.
Die Rückwirkung der künstlerischen
Arbeit auf die
Alltagsästhetik (Massen-medien industrielle
Massenproduktion von
Alltagsgegenständen und Ereignis- sen,
Gestaltung alltäglicher Lebens- formen) ist
inzwischen so stark, daß die Künstler
sich wegen ihres 'Erfolges' nur noch als Zulieferer
mißbraucht sehen. Vor allem glauben die Künstler zu
Recht, in der
Massenkultur dem schnellen Wechsel der Zuwendung
zu
materiellen
Gütern
ausgesetzt zu sein, wo sie doch annehmen
können, Güter zu produzieren, die -
wenn schon nicht
für die Ewigkeit - so doch auf eine gewisse Dauer angelegt sind.
Die Pop-
Programmatik hat diese Schwierigkeit von
vornherein berücksichtigt, indem sie deutlich
werden ließ, daß den materiellen
Gütern selber wenig Bedeutung zukommt, wenn sie
diese
Bedeutung nicht aus einem
Gebrauchszusammenhang
erhalten.
Die
Pop-Programmatik
ließ sich vorbe-haltlos auf die
Verbrauchsmentalität der Massenproduktion
ein; sie forcierte
sogar die Wegwerfmentalität, um zu zeigen, dass das bloße
Habenwollen und
Besitzen von Gütern (und Wissen) diesen noch
keine Bedeutung
sichert. Wegwerfen als eine
'Gymnastik gegen das Habenwollen' verwies also die Güter
auf ihre bloße
Funktion für den kommunikativen Prozess; sie
zeigte,
dass erst durch
den
Gebrauch und nicht durch ihr bloßes
Vorhandensein Güter zu Bedeutungsträgern
werden. Das gilt
im übrigen auch für Kunst- werke.
Zwischen Massengut und Kunstwerk besteht also nur
ein gradueller Unterschied, insofern
Kunstwerke durch
die
Komplexheit ihrer materialen Gestaltung
vielfältigere Nutzung im kommunikativen
Prozess
ermöglichen als Massengüter.
Die
Pop-Programmatik
zielte also auf eine neue Einheit von Hochkultur
und
Massenkultur,
indem sie
aus beiden Bereichen je eine dominierende
kulturelle Leistung zusammenzuschlies- sen
versuchte: Aus den Bereichen Kunst, Literatur und Wissenschaft
usw. die
Fähigkeiten und Verfahren zur Analyse der
natürlichen
und sozialen
Umwelt des
Menschen; aus den Bereichen Unterhaltung, Sport,
Massengüterproduktion usw. die
Objektcharaktere (relativ geringer
Tauschwert der Objekte, die auf Widerruf angelegt,
auf Ersetzen durch
neue Standards programmiert
sind).
Der
Studientag umfasste Referate zu
allen Bereichen, die den Begriff "POP"
ent- halten, Kunst, Literatur, ge-
nauso wie Musik, Mode und Massenkonsum. In
diesem Zusammenhang reiste
die Klasse auch nach München um eine
ROY Lichtenstein-Ausstellung
anzusehen und das Musical "HAIR" zu
besuchen, in dem damals so
unbekannte Künstler wie z.B.
JÜRGEN DREWS mitwirkten.
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